Neben dem Weißabgleich bei Lichtquellen mit einheitlicher Farbtemperatur (Siehe Artikel: Produktfotos selber machen Teil VIII: Weißabgleich), gibt es Aufnahmesituationen, in denen mehrere Lichtquellen mit unterschiedlichen Farbzusammensetzungen gleichzeitig vertreten sind. Dies nennt man Mischlicht.
Für den Fotografen stellt es immer eine Herausforderung dar, hier den richtigen Weißabgleich vorzunehmen, da das menschliche Auge – wie wir ja wissen – die chromatische Adaption beherrscht und deshalb nicht erkennt, welche Lichtzusammensetzung gerade überwiegt.
Wie findet man hier also den richtigen Weißabgleich?
Bei Mischlicht muss sich der Fotograf für eine Lichtquelle entscheiden, da die Kamera lediglich die Anpassung an die Farbtemperatur einer Beleuchtungsquelle vornimmt. Deshalb kann eigentlich keine Einstellung dem Motiv wirklich gerecht werden, denn jeder gewählte Bereich bringt zwangsläufig den Farbstich der anderen Farbtemperatur(en) mit sich. Diesen unangenehmen Farbstich nennt man im Fachchargon auch „Farbstich zweiter Ordnung“, da dieser nicht im ganzen Bild, sondern nur in einzelnen Bereichen des Bildes vorhanden ist und somit bei der Nachbearbeitung – z.B. in Photoshop – nicht so einfach korrigiert werden kann.
Deshalb gibt es zum Thema Mischlicht vieles, was man wissen und bedenken sollte.
Das Wichtigste ist natürlich: Mischlicht möglichst vermeiden.
Obwohl dies nicht immer möglich ist, sollte man trotzdem kurz darüber nachdenken, ob es eine Möglichkeit zur Vermeidung von Mischlicht gibt. Wird beispielsweise eine Maschine in einer Fabrikhalle mit Neonröhren-Beleuchtung und Tageslichteinfall fotografiert, kann man die Fenster verdunkeln oder am Abend fotografieren – und den Weißabgleich auf Neonlicht stellen.
Ausnahme: Es gibt Tageslichtneonröhren und Tageslichtlampen. Hierbei entsteht bei der Fotografie in Mischung mit natürlichem Tageslicht natürlich kein Farbstich, da die Farbtemperaturen beider Lichtquellen nah beisammen liegen. (Dies gilt im Übrigen auch für den Fotoblitz, dessen Farbtemperatur dem mittleren Tageslicht entspricht.)
Im folgenden Bild sieht man eine solche Situation
Tageslicht und Tageslichtlampen/-neonröhren → Weißabgleich Tageslicht → kein Farbstich.
Im nachfolgenden Bild kommt von oben über den Rolltreppen Tageslicht, der Rest ist Kunstlicht. Hier hätte man besser abends fotografiert und somit den Farbstich vermieden. Der Weißabgleich wurde auf Kunstlicht gestellt, daher rührt der Blaustich vom Tageslicht auf der Rolltreppe.
Tageslicht und Kunstlicht → Weißabgleich Kunstlicht → Blaustich
Manchmal kommt man jedoch nicht umhin, bei Mischlicht zu fotografieren. In diesem Fall gibt es mehrere Möglichkeiten, den Farbstich zweiter Ordnung gering zu halten oder – mit Hilfe der Bildbearbeitung – zu vermeiden.
1. Sie stellen die Kamera in den Raw-Modus und fotografieren anstelle von JPEG oder Tiff, Raw-Dateien
Die Raw-Dateien erhalten den Weißabgleich erst in der Nachbearbeitung bei der Konvertierung in ein anderes Bildformat. Diese Raw-Konvertierung wird zweimal (oder öfter) – also für jede Farbtemperatur – durchgeführt. Die beiden korrigierten Bilder werden dann zum Beispiel mit Hilfe von Photoshop zusammengeführt. Tutorials hierzu findet man im Internet, z. B. unter http://lichtathleten.com/2010/10/20/mischlicht-abmildern/
2. Sie wenden den Weißabgleich bewusst auf eine Lichtquelle an
Es gibt durchaus Motive, die einen Farbstich – z. B. durch Kunstlicht – gut vertragen.
Hier noch einmal das Motiv im Kaufhaus.
Bild im Kunstlicht-Modus
Bild im Tageslicht-Modus
Der warme Ton, der durch das Kunstlicht im Tageslicht-Modus entsteht, passt hier ganz gut in die weihnachtlich dekorierte Location.
Folgendes Bild ist im Kunstlicht-Modus fotografiert, da hier nur die Fenster im Hintergrund vom Tageslicht beeinflusst werden.
Bild im Kunstlicht-Modus
Der Blaustich des Tageslichts (Fenster) lässt sich in der Bildbearbeitung schnell korrigieren („Weiche Auswahl“ → Farbkorrektur im Cyan)
Um Entscheidungen für den richtigen Weißabgleich schnell treffen zu können, finden Sie hier eine kleine Liste der Farbstiche, die von anderen Lichtquellen herrühren, wenn Sie mit Ihrer Kamera im Tageslicht-Modus fotografieren:
Kerzenlicht | 1500 Kelvin | Rotstich |
Glühlampen | 2200 bis 3000 Kelvin | Gelbstich |
Halogenlampen | 3000 bis 3400 Kelvin | gelblicher Stich |
Leuchtstoffröhren | 2700 bis 4500 Kelvin | gelb-grünlicher Stich |
Mondlicht | 4120 Kelvin | gelblicher Stich |
Fotoblitzgerät | 5000 bis 6500 Kelvin | neutral |
Mittleres Tageslicht | 5000 bis 7000 Kelvin | neutral |
Tageslichtlampe | 5600 bis 7000 Kelvin | neutral |
Bedeckter Himmel | 6500 bis 7500 Kelvin | bläulicher Stich |
Nebel | 7500 bis 8500 Kelvin | bläulicher Stich |
Reflektiertes Licht bei blauem Himmel | 9000 bis 20000 Kelvin | Blaustich |
(Vgl. Bild des Farbtemperatur-Balkens im Artikel: Produktfotos selber machen Teil VIII: Weißabgleich)
3. Sie stellen den Weißabgleich auf einen Mittelwert der im Motiv enthaltenen Farbtemperaturen ein
Dies versuchen die Kameras meist auch im Auto-Modus. Hier entstehen jedoch von der Kamera ganz unterschiedliche Interpretationen, die manchmal stark daneben liegen. Bei einer Bilderserie von einer Location sollte man daher auf keinen Fall den Auto-Modus wählen! Hier wird nämlich jedes Motiv von der Kamera neu interpretiert und die Serie passt am Ende farblich nicht zusammen. Stellen Sie den Mittelwert also manuell ein.
Das Spiel mit verschiedenen Farbtemperaturen kann natürlich auch künstlerisch angewandt werden. Mischlicht kann also ein störender Faktor sein oder auch einen gewollten Effekt erzielen.
Bild im Mischlicht zur blauen Stunde im Tageslicht-Modus